Vorsicht - lang und wenig technisch. Tschuldigung.
Hallo, Ihr Lieben...
Ich bin eine Null hinsichtlich Reverse Engineering von Navi-Software, Optimierungen, Skinning und allen anderen Aspekten der PD/N-A Navigation. Ich find mein Navi toll, praktisch und mit mehr fahrerischem Verstand ausgestattet als ich mit meinem 15 Jahre alten Shell Atlas in der pre-Navi Ära, die bei mir mit einem Medion MN4 Klon endete, der temporär und restlos illegal durch grenzübergreifende Navigon MN4 Karten veredelt wurde.
(spätestens jetzt müsste irgend ein OP, rein in Seele und Handeln, einschreiten und mittels Clipboard einen Hinweis darauf absondern, wie verwerflich solches Treiben ist. Ja, ich weiß. Ich fühlte mich auch schuldig, hätte auch drei Rosenkränze gebetet, wenn ich noch katholisch wär. Aber ich habe nicht, hab statt dessen meinem Chef einen Navigon MN4 als Dienstnavi abgerungen, unter Nutzung meiner Medion Lizenz zwecks Update. Und während ich den jetzt brav von Jahr zu Jahr update frag ich mich, mit welchem monetären Einsatz hier doch einige Addicts den immensen Vorrat an parallel betriebenen PDAs aktuellster Wettbewerbsprodukte betreiben, unter offensichtlichem Verzicht jeglicher Form von Freizeit für andere Dinge).
Nein, hier ist nur bedingt der Weg das Ziel, es geht um die Optimierung des Weges, das Ziel ist nebensächlich, es sei denn, es ist aus technischen Aspekten anspruchsvoll (z.B. der metaphysische Kreiselverkehr in St.Kützelmütz). Und ich hab hier viel gelernt, und deshalb schreib ich dies. Und ich habe früher beruflich mit Routing zu tun gehabt, weniger vom programmiertechnischen, mehr vom mathematischen (genauer, es ging um Kabelrouting).
Also, los gehts:
Die Maut
Maut und gebührenpflichtige Straßen sind ein Fakt in Europa. Es gibt gebührenpflichtige Straßen, die gebührenpflichtig sind, weil die Baukosten immens waren. Also eine klassische Form der Mautstraße im Sinne der früheren Wegelagerei. Es gibt Mautpflicht für bestimmte Fahrzeugkategorien (LKW auf BAB, bald auch Landstraßen, PKW noch NEIN in Deutschland). Dann gibt es Länder mit Vignettenpflicht, wobei es zusätzlich noch Unterschiede zwischen Vignettenpflicht auf allen Strecken oder nur auf Autobahnen gibt. Auch Citymaut liegt voll im Trend. Dazu kommen zukünftig noch Umweltsperrungen, für die man sich in manchen Gemeinden über eine Zahlung, also wieder eine Form von Maut, freikaufen kann. Und denkt an nationale Ausnahmen (z.B. ÖPN Busse = LKW, aber mautfrei, Taxi=mautfrei, PKW mautpflichtig). Stellt Euch vor, Ihr habt nur ein Flag in Eurer Software namens Maut-vermeiden, weil die Basis davon zu einer Zeit entstanden ist, in der grenzüberschreitende Navigation noch vollkommen undenkbar erschien (und für viele hippe Hersteller wie igo heute noch zu sein scheint, denn meine Polnische Freundin wurde an der Niederländischen Grenze, 2 km vom Ziel entfernt, zum Wenden genötigt und auf einen 25 km Umweg über die nächstgelegene Autobahn geschickt). Eine Maut auf nationaler Basis zu berücksichtigen ist leicht, haarig wirds erst, wenns international wird.
Wir brauchen also:
a) Ein Eingabefeld zur genutzten Fahrzeugart (PKW, Krad, LKW, BUS, etc.), das nichts mit den gewählten Routenprofilen zu tun hat
b) Ein Eingabefeld Sonderfahrzeug mit Verknüpfungen zu mehreren Sonderregelungen
c) Ein Eingabefeld Vignette - alle Straßen mit Verknüpfung zu allen Ländern, in denen eine solche Regelung existiert.
d) Ein Eingabefeld Vignette - Teilstrecken mit einer Verknüfung zu der Art der Strecke(n), z.B. Nur auf Autobahnen
e) - f) vergleichbare Eingabefelder zur Maut mit entsprechenden Verknüpfungen.
g) wahrscheinlich einige weitere Feintuning Möglichkeiten, an die ich in der Eile nicht denke.
h) Eine Abfrage, bis zu welchem Geldbetrag (in wählbarer Währung) eine Blockade des Routings erfolgen soll (die PKW Kurzzeitvignette in Österreich ist billiger als der Mehrverbrauch an Sprit bei Umfahrung), manche Streckenmaut über Alpenpässe ist nihil im Vergleich zu den Vorteilen.
i) Ein einstellbares Routenprofil, in dem all diese Aspekte individuell und auf die anstehende Route bezogen gewählt werden können.
j) dann eine sehr mächtige Pre Routing Engine, die idealerweise direkt die betroffenen Kartensegmente für die eigentliche Routing Engine sperrt (vorher sperren reduziert die Routingzeit dramatisch). Die Kartensegmente müssen vom Kartenhersteller mit stimmigen Merkmalen belegt sein, hinsichtlich Kosten der Strecke - und wenn Navteq das genauso qualifiziert macht wie bei internen POIs, dann graut mir übelstes. Ach ja, und Streckensperrungen sollten nicht nur theoretisch funktionieren.
Spätestens hier wird das Produktmarketing eingreifen und laut NEIN schreien. Die Vorkenntnisse des potentiellen Navinutzers müssten zu groß sein, um kompetent ein technisch mögliches Routing zu ermöglichen. Und Usabillity ist heutzutage wesentlich wichtiger für den Erfolg eines Produkts als die Mächtigkeit der Anwendung. Um sich dieses Problems zu entledigen würde ein cleverer PM eine definierte Schnittstelle zu einem externen Mautmanagementsystems, ähnlich dem externen POI Warner schaffen, und sich andere Leute die Finger verbrennen lassen.
Ja, und wir brauchen noch das Wichtigste:
I) Ein Fehlermanagement, welches Unmöglichkeiten meldet, bevor sich eine Routing Engine zu Tode rechnet. Es gibt keine Route, die aus einem komplett vignettenpflichtigen Land eine mautfreie Route in ein x-beliebiges Nachbarland findet, wenn die Programmierer Vignette = kostenpflichtige Straße(n) = Maut sehen. Das Irrsinnsrouting der MN6.0 ist eher ein Zeichen für ausgezeichnete Routingeigenschaften (er versucht wirklich jede erdenkliche Route mit gigantischen Gesamtstrecken - und scheitert dabei nicht am Routing, sondern an der Routingvorleistung bzw. falschen Daten oder falschem Datenverständnis. Es gibt keine Lösung, aber er versucht trotzdem eine zu finden.
Wer bis hierher durchgehalten hat wird erkennen. Das Problem ist nicht banal. Das Produkt schon, und wenn es das nicht wäre, so würde man es an eine Handvoll Freaks verkaufen können, nicht jedoch an die breite Masse.
Und jetzt wird es die geben, die hämisch aufschreien, dass ihr TomTom Thunderbird oder Igo 1.0.5.3 Built Beta 2 problemlos Mautstrecken vermeiden kann - doch sie ignorieren dabei, dass er nur bei ihrer (und somit sicherlich nicht bei allen) Betrachtungsweisen des Themas Maut zum korrekten Ziel führt. Und sie ignorieren, dass das Produkt zwar Mautstraßen vermeidet, aber die richtigen für meine Polnische Freundin leider auch. Oder sie halten TMC weiterhin für ein Tschibo Label. Oder sie arbeiten mit Teleatlas und Teleatlas hat vielleicht eine bessere Kostenkennzeichnung der Teilstrecke. Keine Ahnung, vielleicht ist es auch nur ein profaner Bug. Wenn Ihr dies hier lesen könnt, so sitzt Ihr mit großer Wahrscheinlichkeit vor einem PC mit einem Betriebssystem, welches zur Markteinführung mehr als 10.000 bekannte Bugs beinhaltete. Auch dort traten viele Probleme nur in bestimmten Konstellationen auf.
Andere werden jetzt sagen: Da lässt uns Navigion 4 Monate länger auf unsere Software warten. Uns, die wir doch zur alten Garde der Hardcore Navigierer gehören und bis ins Mark erschüttert sind, weil ein Hersteller den technisch anspruchslosen Massenmarkt der PNAs lieber und früher bedient als den problemgewohnten PDA Markt. Dieser hat sich durch immer ausgefuchsteste High-End Geräte mit immer mehr werksintegrierten Krankheiten zu einem Nischenprodukt entwickelt, mit einem nicht mehr darstellbaren Mehraufwand an Programmierern im Vergleich zu den Programmierern, die Massenprodukte anpassen. Wenn ich den heutigen Wildwuchs an PDA Technik sehe scheint mir eine 4-monatige Verspätung bei der PDA Version als eher kurz - und Langeweile wird dabei nicht aufgekommen sein.
Die Releaserealität entspricht einem rationalen Geschäftsmodell, welches mir erstmalig beim MN5.0 aufgefallen ist:
1) höchste Priorität der technisch anspruchslose Massenmarkt
2) Release der PDA Version, die auf einem Großteil der Brot-und-Butter PDAs (Yakumo, Medion, TCM, Bluenote) sofort und halbwegs einwandfrei läuft (die BT und Auflösungsprobleme der High-End PDAs wird dabei billigend in Kauf genommen).
3) Zeit vergehen lassen, damit möglichst viele bislang aufgelaufene Fehlermeldungen ausgewertet werden können und möglichst eine (teure) Service-Release reicht, jetzt auch lauffähig auf 50% der anspruchsvolleren Geräte. Der Rest wird über eine konservativere Kompatibilitätsliste abserviert. Die Bugfix 6.1 wird zeitnah kommen (aber nicht 2 Wo. nach Produktrelease) und wohl eher die Fixes des früheren PNA Fixes 6.1 enthalten.
4) mit großem zeitlichen Versatz dann eine wirkliche Bugfix, die Probleme abstellt und zusätzliche Kompatibilitäten exotischerer Geräte bietet, vielleicht auch auf Druck etablierter PDA Hersteller, die Umsatzeinbrüche für ihre High-End PDAs befürchten.
Ihr Bastler und Forscher und Freaks habt in der Entscheidungsmatrix keinen Platz - oder wenn, dann einen niederwertigen.
Emotionslos. So muss jedes Management entscheiden, wenn es in der heutigen Zeit des immer enger werdenden Navi-Markts noch Profite einfahren will. Die Kartenhersteller sind zu wenige, um Preise durch gestiegenen Wettbewerb nach unten anzupassen. Die Einsatzkosten bleiben also, die Erträge durch Absatz schwinden durch größeren Wettbewerb. In einer Zeit, in der Service und Kundefreundlichkeit nur noch in Duden nach alten Rechtschreibregeln stehen und nirgendwo mehr gelebt werden soll ausgerechnet Euer präferierter Navi Hersteller die Ausnahme bilden. Nein, Service gibt es vielleicht noch bei Igo, da das Jugend-forscht Entwicklerteam noch Input braucht - und Wirtschaftlichkeit noch nicht versteht. Aber sie werden sie lernen, oder in der geschäftlichen Restmülltonne verschwinden. Und Service wird auch dort gegen Profite und Kosten abgewägt werden.
Ihr bemängelt ein ausbleibendes Engagement des jeweiligen Herstellers in diesem edlen Forum - und Ihr überseht, dass vieles, was hier ausgebreitet erklärt wird, dem Hersteller zusätzlichen Serviceoverhead beschert. Wenn hier alle User mit ab in den Hauptspeicher Threads agieren glüht kurze Zeit später über Navigon der Telefonsatellit. Nicht jeder Tipp ist richtig, dem naiven User fehlt die Möglichkeit zu bewerten, wer Blödsinn redet und wer Fundiertes. Im Forum geht es längst nicht mehr um Fakten - nein, persönliche Eitelkeiten und Herstellerhatz schaffen ein Klima, welches eher abschreckt. Anfänglich sinnvolle Threads werden schon bald durch Nickeligkeiten zerchattet. Die Forensuchfunktion ist somit längst unbrauchbar.
Deshalb meine Bitte. Gesteht dem Hersteller Fehler zu, auch wenn sie Euch besonders peinlich erscheinen. Lasst dem Hersteller Zeit, sich um die Fehler zu bemühen. Überlegt Euch Workarounds, die zu Eurem persönlichen Fahrverhalten passen (mir wäre das Mautproblem nie aufgefallen, weil ich noch nie eine Mautstraße vermeiden wollte). Und lernt wieder, in diesem Forum zivilisiert miteinander umzugehen. Alle kochen nur mit Wasser. Und die, welche mit einer deutlichen Fehlfunktion eines Produktes nicht leben können, sollten ihr Recht auf Wandlung nutzen. Vorausgesetzt, bei Mautvermeidung handelt es sich um eine nachweisbare zugesicherte Eigenschaft.
So, ich hab fertig,
Sabine