Tag der Einheit, mal so richtig OT

  • Etwas erkältet ziehe ich mir "zur Feier des Tages" Florian Henckel von Donnersmarcks "Das Leben der Anderen" rein. Sebastian Koch und Thomas Thieme spielen hervorragend, Ulrich Mühe spielt auch sehr gut, aber die Rolle ist auch etwas unglücklich, denn die Frage, ob man durch Musik ein besserer Mensch werden kann, wird in dem Film zwar vorgespielt, aber nicht beantwortet. Insofern fällt es zumindest mir schwer, von Donnermarcks zu folgen. Auch das melodramatische Ende der von Martina Gedeck dargestellten Christa-Maria Sieland erscheint mir zumindest etwas überspitzt. Einige Feinheiten sind mir auch unklar. Ich kannte ein paar Damen des horizontalen Gewerbes in der DDR, aber zu nem Stasioffizier gings dann eher nicht. Viel mehr ins Hotel zu nem Gast aus dem NSW (nicht sozialistischer Wirtschaftsbereich).


    Aber der Film bietet mehr als das dramaturgische Grundgerüst. Perfidität des Systems, Durchdringung der Gesellschaft (2% aller Erwachsenen haben offiziell und inoffizell für die Stasi gearbeitet), Struktur der Staatsicherheit (Informationsbeschaffung von aussen, von innen und, das ist das, was die Stasi von anderen Geheimdiensten in demokratischen Ländern unterschiedet, auch Untersuchungsorgan mit Gefängnissen, ohne Kontrolle durch Gerichte, die allerdings auch von der Staatssicherheit kontrolliert wurden), Künstlermilieu, Zweizüngigkeit, mit der man in der DDR durchs Leben schritt... werden gut dargestellt. Das ganze ohne komödienhaften Anflug ala Sonnenalle oder Good bye Lenin, wo die DDR zum humoristischen Museum mit ATA, Fit und Ampelmännchen verkommt.


    Beim Sehen des Films kommen dann doch ein paar Erinnerungen hoch... Der Gesichtsausdruck unserer Parteisekretärin in der Schule (meine Russischlehrerin, Frau Müller), die Phrasen meines Direktors, als ich das Wehrlager verweigerte... die Drohung, das ich dann halt ein Studium usw. vergessen könnte, der Korvettenkapitän, der mit gleich die Frage nach dem Verbrecher stellte, der vor meiner Tür mit ner Pistole steht und ob ich nicht meine Famile beschützen wolle (ich meinte daraufhin, das ich leider nicht zu ihm hinaus darf...:-)). Die Wasserwerfer am Brandenburger Tor, der Stasispitzeleinlasser in meiner Stammdiskothek... Das ich begeistert von der Kita nach Hause gekommen bin, weil wir in der Kita den "Tag der Grenztruppen" begangen hatte, und ich Grenzsoldat werden wollte. Worauf meine Eltern mit mir zur Grenze gefahren sind und mir erklärt haben, das die lieben Grenzsoldaten meinen Papa erschießen, wenn er über diesen Zaun klettern würde... Mein Aufenthalt in der Prager Botschaft, mein Besuch bei Anwalt Gysi (rote Socke und egozentrischer Dummschwätzer... hat mit dem Ministerium für Innere Angelegenheiten in nem ordentlichen Befehlston gesprochen), der Fall der Mauer...


    Alles in allem kann ich nur sagen, das es gut ist, wie es gekommen ist. Die schlechten Seiten vergisst man schnell, übrig bleibt das private Glück, das man auch in der DDR hatte. Ein Unrechtsstaat war es zu 100%, auch wenn sicher nicht alles unrecht war, was sich in der DDR abbspielte. Es war ne Diktatur, mit ner Geheimpolizei, man war unterdrückt, eingesperrt, bevormundet. Wirtschaftlich, Weltpolitisch, gesellschaftlich war die Wiedervereinigung, oder meinetwegen auch der Anschluss, zumindest für den Teil Deutschlands, den man DDR nannte, alternativlos.


    Mich wiedern die Kommentare einiger Kleingeister an, die sich wünschten, das die Mauer wieder aufgebaut wird. Haben die denn alles vergessen? Kalter Krieg, Atomwaffen, Hochrüstung, Versorgungslage, verrottete Betriebe, Bevormundung, Militarisierung und, und, und... Vor allem dann, wenn es aus den Mündern von ehemaligen Ostdeutschen kommt. Am besten noch die SED wählen... Verzeihung, PDS äh... Die Linke. Egal, alles das gleiche.


    Und wer auf die soziale Lage anspricht (blühende Landschaften...), dem kann ich auch nur sagen, das es jedem HarzIV-Empfänger nicht schlechter als nem normalen Industriearbeiter in der DDR geht. Farbfernseher, Videorekorder, Urlaub, Auto... war mit nem normalen Gehalt auch kaum drin. Ich glaube kaum, das sich das Verhältnis von denen, die sich das alles leisten können, zu denen, die sich das nicht leisten können, signifikant geändert hat. Der Unterschied ist nur der, das sich die Verhältnisse in der DDR nicht verbessert hätten. Ganz im Gegenteil.


    Die Frage ist also nicht, ob es damals in der DDR manchen besser ging als heute, sondern eher, wie würde es heute in einer bestehenden DDR aussehen?


    Das vergessen manche und wünschen sich eine Zeit, die es heute nicht mehr geben könnte. Dabei unterdrücken sie auch noch all die schlechten Seiten der DDR.


    Und wie sieht es mit den "Wessis" aus, die sich die Mauer wieder wünschen? Das sind IMHO die gleichen, die immer jemanden die Schuld an ihrer (schlecht geredeten) Lage geben müssen. Erst den Juden, dann den Vertriebenen, dann den Ossis, den Russlanddeutschen, den Asylanten, den Türken... Mal sehen, wer der Nächste ist. Aber da wird sich schon jemand finden lassen, nicht wahr? Solche armseligen Kleingeister, denen die historische Bedeutung eines geeinten Deutschlands, der Zusammenbruch des Ostblocks, des Warschauerpaktes, die Zukunft in einem geeinten Europa, einem Europa des Friedens und des Wohlstandes nicht mehr bedeutet, als 10,-€ weniger in der Lohntasche.


    So, das war mein Wort zum Sonntag, Franz

    "Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom."

  • Hallo Franz,


    danke für deine Ausführungen zum Jahrestag.


    Du hast genau den Nerv des Volkes getroffen. Nochmals Danke und


    gruss


    Conny

  • Und wie sieht es mit den "Wessis" aus, die sich die Mauer wieder wünschen? Das sind IMHO die gleichen, die immer jemanden die Schuld an ihrer (schlecht geredeten) Lage geben müssen. Erst den Juden, dann den Vertriebenen, dann den Ossis, den Russlanddeutschen, den Asylanten, den Türken... Mal sehen, wer der Nächste ist. Aber da wird sich schon jemand finden lassen, nicht wahr? Solche armseligen Kleingeister, denen die historische Bedeutung eines geeinten Deutschlands, der Zusammenbruch des Ostblocks, des Warschauerpaktes, die Zukunft in einem geeinten Europa, einem Europa des Friedens und des Wohlstandes nicht mehr bedeutet, als 10,-€ weniger in der Lohntasche.


    So, das war mein Wort zum Sonntag, Franz


    :thumbup: