Artikel aus FTD vom 15.8.2005
Mobile Navigation drängt in den Massenmarkt
von Benedikt Fuest, Frankfurt
Navigationsgeräte gehören in der Mittel- und Oberklasse mehr und mehr zur Standardausrüstung. Jetzt drängen die Geräte zunehmend auch in die Kleinwagen. Dabei bieten sich tragbare Systeme an.
TomTom 700 im Autoeinsatz
TomTom 700 im Autoeinsatz
Verkaufte Navigationsgeräte im ersten Quartal 2005: 90.390. Verkaufte Geräte im zweiten Quartal: 258.530. Diese Zahlen verdeutlichen die Erfolgsstory des niederländischen Unternehmens TomTom. Deren knubbelige Navigationslösungen haben vor allem ein Merkmal: Sie sind mit dem ersten Auspacken fast sofort betriebsbereit, brauchen als weder die Installation irgendeiner Software noch das Legen irgendwelcher Kabel oder Antennen im Auto. Dazu kommt: TomTom hat die Preise für tragbare Navigationsgeräte unter die 500-Euro-Schwelle gedrückt.
Der Erfolg der Niederländer hat die Konkurrenz aufgeschreckt. Fast alle stellen zur IAA oder zur Internationalen Funkausstellung tragbare Lösungen mit bereits installierten Deutschland- oder Europakarten vor: Blaupunkt startet mit dem tragbaren "Travelpilot Lucca" mit integriertem MP3-Player, angepeilter Preis: Um 600 Euro. Siemens-VDO bringt mit dem MS 2010 ein portables Gerät, das den Autofahrer per digitalem Verkehrsfunkempfänger an Staus vorbeiführt. Und Branchenpionier Garmin zeigte auf der IAA erstmals seinen "Nüvi".
Das kartenspielgroße Gerät verbindet traditionelle Navigationsfunktionen mit einem digitalen Reiseführer von Marco Polo, bringt ausserdem ein Reisewörterbuch in 5 Sprachen mit und speichert Urlaubsphotos im eigenen Speicher zwischen. Klare Zielgruppe des Alleskönners: Touristen, die sich im Urlaub auch zu Fuß orientieren wollen. Gleichzeitig dreht Garmin mit seiner Streetpilot-Serie die Preisspirale ein Stück weiter: Listenpreis für den neu vorgestellten Streetpilot i3 mit Farbbildschirm ist 399 Euro, damit liegt Garmin hundert Euro unter dem Preis gleichausgestatteter Konkurrenzgeräte.
Konkurrenzdruck steigt
Der Konkurrenzdruck steigt in einem Markt, in dem Branchenvorreiter wie Garmin, TomTom oder die neuseeländische Firma Navman ihren Absatz im zweiten Quartal 2005 fast verdoppeln konnten. Für 2006 prognostizieren die US-Marktforscher der "Telematics Research Group" ein weltweites Marktvolumen von über 10 Millionen verkauften Geräten. Andrew Drabbe von TomTom kommentiert die Entwicklung: "Die Kunden wollen vor allem einfach bedienbare Lösungen. Im ersten Halbjahr machte unser günstigstes Gerät den Hauptteil unseres Absatzes aus."
Navigationssystem Garmin Nüvi
Navigationssystem Garmin Nüvi
Auf ein möglichst einfaches Bedienkonzept setzt auch die Mietwagenfirma Avis. Die Verleiher bieten seit Juli für einen Aufpreis von sieben Euro pro Tag ein TomTom-Navigationssystem in ihren Autos an. Vorteil aus ihrer Sicht: Mit derselben Lösung in allen Fahrzeugen soll die Nutzung einfacher und damit stressfreier werden.
Mehr als Lifestyleprodukt sieht der Autokonzern Toyota die TomTom-Lösungen - und integrierte sie als Sonderausstattung zum Kampfpreis von 650 Euro in ihr kleinstes und günstigstes Modell "Aygo". Zum Vergleich: Fest eingebaute Navigationslösungen mit Touchscreen und integrierter Freisprecheinrichtung sind bei der Konkurrenz nicht unter gut tausend Euro zu haben. Damit ist Toyota der erste Hersteller, der ab Werk ein tragbares Gerät anbietet. Auch Konkurrent Nissan kündigte an, den Kleinwagen Micra mit einem TomTom auszustatten.
Anbieter von Autoradios sind die Verlierer
Hier zeichnet sich ein Trend ab: Während in der Mittel- und Oberklasse fest eingebaute Navigationsgeräte mehr und mehr zur Standardausstattung werden, gehört der Nachrüstermarkt und die Kleinwagenklasse den Anbietern von tragbaren Komplettlösungen. Laut Toyota-Manager Michael Cotthast wird der Preis für fest eingebaute Navigationslösungen weiter unter Druck kommen - und speziell im Massenmarkt für kleine und preiswerte Geräte fehlt es den Autoherstellern an Kernkompetenz.
Diese Entwicklung beobachtet auch Andrew Drabbe von TomTom: "Die großen Verlierer des Trends zu tragbaren Lösungen sind die traditionellen Anbieter von Autoradios mit Navigation." Der Grund: Wer eine fest eingebaute Lösung haben will, bekommt sie ab Werk. Für einfaches Nachrüsten sind die tragbaren Lösungen schlicht praktischer. Und angesichts einer zusehends komplexeren Autoelektronik wird es immer schwieriger, ein Autoradio nachzurüsten.
Das sehen auch die Anleger beim Börsenneuling TomTom so: Seit dem Börsengang im Juni 2005 legte die TomTom-Aktie von 17,.50 Euro auf 33,50 Euro zu.